Beitrag von Armina Bagradjans

Am 15. April 2018 wird in Köln ein Mahnmal enthüllt. „Dieser Schmerz betrifft uns alle“ heißt es auf dem Mahnmal, dessen Aufstellung durch die Initiative „Völkermord erinnern“ veranlasst wurde. Eine kupferfarbene, stählerne Dreiecksskulptur mit einem Granatapfel an der Spitze. Es soll an die systematische Vertreibung und Vernichtung der Armenier*innen und weiteren Minderheiten in den Jahren 1915 – 1918 im Osmanischen Reich erinnern, an die deutsche Beteiligung daran und grundsätzlich als ein Appell, Rassismus und Nationalismus als Ursachen von Völkermorden entgegenzutreten, in einer repräsentativen Umgebung stehen. Das „nie wieder“ soll jeden Tag erkennbar sein.

Keine vier Tage später wird das Mahnmal 2018 zum ersten Mal von der Stadt Köln entfernt. In den folgenden Jahren folgt ein Trauerspiel, bei dem die Gedenkskulptur wieder und wieder aufgestellt und abgebaut wird. Dieser Prozess dauert bis heute an. Dem jahrelangen Hin und Her könnte das Verwaltungsgericht Köln nun ein Ende setzen:

Seit dem 24. April 2023 steht das stählende Mahnmal nun auf dem Kurt-Rossa-Platz an der Hohenzollernbrücke in Köln. Die Kölner Stadtverwaltung wollte es allerdings bis Mittwoch, den 24. Mai 2023, 22 Uhr wieder entfernt wissen. Nach Protesten, Einreichung einer Klage und eines Eilverfahrens ist nun einstweilen eine Stillhaltezusage erteilt.

Die Aufstellung erfolgte auf Antrag des Vereins „Recherche International“ als Träger und Sprachrohr der Initiative „Völkermord erinnern“ auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis zur Aufstellung des Mahnmals für die Dauer von drei Jahren. Diesen lehnte die Stadtverwaltung Köln indes ab, erteilte eine Erlaubnis gleichwohl für die Dauer eines Monats, vom 24. April – 24. Mai 2023.

Dafür, dass das Mahnmal dort verbleiben solle, stimmte auch die Kölner Bezirksvertretung Innenstadt/Deutz (BV). In ihren Sitzungen vom 29. März und schließlich 27. April 2023 beschloss die Bezirksvertretung: „Die Verwaltung wird gebeten, der "Initiative Völkermord erinnern" die Erlaubnis zur Aufstellung des Mahnmals „Dieser Schmerz betrifft uns alle“ auf dem Kurt-Rossa-Platz am Aufgang der Hohenzollernbrücke vom 25.04.2023 bis zum 24.04.2024, zu erteilen.“ Zur Begründung führte die BV u.a. aus, sie habe die Wichtigkeit und Dringlichkeit des Anliegens anerkannt. Um der Initiative Rechtssicherheit für das kommende Jahr zu garantieren, solle für die Aufstellung der Skulptur eine einjährige Sondernutzungserlaubnis erteilt werden.

Diese Bitte findet hingegen in der erteilten Sondernutzungserlaubnis der Kölner Stadtverwaltung für die Aufstellung des Mahnmals in keiner Form Ausdruck. Warum die Sondernutzungserlaubnis lediglich für die Dauer eines Monats, nicht für die beantragten drei Jahre oder für den seitens der BV empfohlenen Zeitraum von einem Jahr erteilt wird, bleibt insgesamt ohne Begründung.

Dem daraufhin gestellten Antrag der Initiative, die auf einen Monat befristete Sondernutzungserlaubnis zu verlängern, gab die Stadtverwaltung Köln ebenfalls nicht statt.

Dagegen geht die Initiative nun gerichtlich vor.

Aufgrund der Eilbedürftigkeit reichte sie zum einen Eilantrag gegen die behördliche Aufforderung, das Mahnmal bis zum 24. Mai 2023, 22 Uhr vom Kurt-Rossa-Platz zu entfernen, ein. Zum anderen wurde Klage mit dem Antrag auf Verlängerung der Sondernutzungserlaubnis auf die bereits beantragten drei Jahre, hilfsweise aber mindestens bis zum 24. April 2024 vor dem Kölner Verwaltungsgericht erhoben.

Hat diese Klage Aussicht auf Erfolg?

Die Klägerin stützt das gerichtliche Vorgehen unter anderem darauf, dass die Kölner Stadtverwaltung keine Begründung für die Begrenzung der Sondernutzungserlaubnis auf einen Monat angeführt habe und damit einhergehend auch keine für die Ablehnung des Antrags, das Mahnmal drei Jahre rechtssicher stehen zu lassen. Dies sei ermessensfehlerhaft. Zudem sei eine derartige Begrenzung weder erinnerungspolitisch begründbar noch rechtlich notwendig.

Doch was spricht laut der Kölner Stadtverwaltung eigentlich gegen die Verlängerung der Sondernutzungserlaubnis?

Wirft man einen Blick auf die vorgetragenen Gründe der Ablehnung seitens der Stadtverwaltung, bleibt dies fraglich:

  1. Steht das Mahnmal der geplanten Erweiterung der Fuß- und Radwegeverbindung der Hohenzollernbrücke tatsächlich im Wege, sodass aufgrund dessen kein längerer Zeitraum für die Aufstellungserlaubnis gewährt werden kann?

Am 19. Mai 2023 teilte die Leiterin des Amts für Integration und Vielfalt der Stadt Köln gegenüber der Initiative mündlich mit, dass die Sondernutzungserlaubnis nicht verlängert werde und die Verwaltung auf die Entfernung des Mahnmals zum 24. Mai 2023 bestehe. Laut Rechtsanwalt Ilias Uyar, Mitinitiator „Völkermord erinnern“, habe die Leiterin des Amtes der Kölner Stadtverwaltung zur Begründung dessen – diese wohl ebenfalls allein mündlich geäußert – lediglich darauf verwiesen, die Hohenzollernbrücke solle künftig um einen elf Meter breiten Fuß- und Radweg erweitert werden, dem das Mahnmal dann im Wege stünde. Das geplante Vorhaben lasse daher keinen längeren Zeitraum für die Aufstellungserlaubnis zu.

Konkrete Pläne für die besagte Erweiterung oder gar ein entsprechender Bauantrag, existieren laut RA Uyar indes bisher nicht.

Die Initiative hält weiterhin entgegen, dass die städtische Verwaltung selbst zwei Sitz-Skulpturen in der Flucht des neuen Radweges positioniert habe, welche gar viel größer seien als das Mahnmal. Diese stehen auf der rechten Seite der Hohenzollernbrücke, mittig auf dem Platz im Bereich der Aussichtsplattform am Fuße des Reiterstandbilds Kaiser Wilhelms I. Es sei insofern nicht ersichtlich, warum das Mahnmal dann nicht seitlich auf der linken Seite der Brücke stehen bleiben könne.

Die Aufstellung der zwei großen Sitz-Skulpturen bestätigt auch die Pressemitteilung der Stadt Köln vom 13. Januar 2023. Im Rahmen dessen führt die Stadtverwaltung aus, sämtlich aufgestelltes Mobiliar sei transportabel, könne daher im Rahmen der Erweiterung der Fuß- und Radwegeverbindung abtransportiert und im Anschluss an anderer Stelle erneut eingesetzt werden.

Offen bliebt abermals die Frage, warum nicht gleichermaßen mit dem Mahnmal verfahren werden kann. Diese könnte ebenfalls vorerst stehengelassen, zu gegebener Zeit rechtzeitig vor Beginn der Bauarbeiten abtransportiert und sodann an geeigneter Stelle auf der breiten Fläche des Kurt-Rossa-Platzes erneut eingesetzt werden. Das Mahnmal ist nämlich ebenso wie die von der Stadt aufgestellten Skulpturen nicht fest mit dem Boden verankert, dazu deutlich kleiner und kann leicht ab- und wieder aufgebaut werden. Dass dies kein Problem darstellt, hat sich in den letzten Jahren, in denen das Mahnmal bereits über vier Mal abtransportiert und an unterschiedlicher Stelle wieder aufgestellt wurde, deutlich gezeigt.

Eine stichhaltige Argumentation seitens der Stadt Köln bleibt an dieser Stelle aus.

Erwähnt sei an dieser Stelle auch, dass die Kölner Stadtverwaltung zu keinem Zeitpunkt eine andere, „geeignetere“ Stelle für die Aufstellung des Mahnmals erwogen oder kommuniziert hat. Wenn tatsächlich der einzige Grund für die Ablehnung der Sondernutzungserlaubnis ist, dass das Mahnmal dem geplanten Fuß- und Radweg im Wege stehen könnte, drängt sich diese Frage indes förmlich auf.

2. Sind Ermessensfehler seitens der Behörde i.R.d. Erlaubniserteilung ersichtlich?

Standen / stehen Regelungen der Sondernutzungssatzung der Stadt Köln der Erteilung einer über die Dauer von einem Monat hinausgehenden Sondernutzungserlaubnis für die Aufstellung des Mahnmals entgegen?

In § 8 der Sondernutzungssatzung heißt es: „Die Erlaubnis wird auf Zeit – längstens für drei Jahre – oder auf Widerruf erteilt. Sie kann unter Bedingungen und Auflagen erteilt werden.“

Daraus ergibt sich vorerst, dass es grundsätzlich möglich ist, eine Sondernutzungserlaubnis für bis zu drei Jahre – wie vorliegend beantragt – zu erteilen. Nun gilt zu berücksichtigen, dass dies der maximal höchste Zeitraum für die Erteilung einer solchen Erlaubnis ist. Es ist nicht ohne Weiteres ermessensfehlerhaft, wenn die Behörde eine solche Erlaubnis nicht über die maximal möglichen drei Jahre erteilt. Stehen etwa sachliche Gründe entgegen, übt die Behörde ihr Ermessen dem Zweck entsprechend der Ermächtigung und innerhalb der gesetzlichen Grenzen aus, so kann eine Erlaubniserteilung für einen kürzeren Zeitraum gerechtfertigt sein. In diesem Fall müssen diese Gründe und Erwägungen seitens der handelnden Behörde ersichtlich gemacht werden.

Vorliegend hat die Behörde indes – nach hiesigem Kenntnisstand – im Rahmen der Erteilung der Sondernutzungserlaubnis keine Gründe für die Begrenzung dessen auf den markant kurzen Zeitraum eines Monats statt der beantragten drei Jahre hervorgebracht. Auch, warum die Behörde nicht erwogen hat, die Sondernutzungserlaubnis für beispielsweise ein Jahr zu erteilen, wie von der BV Innenstadt/Deutz erbeten, kann mangels Begründung des festgesetzten Zeitraums nicht nachvollzogen werden.

Die Behörde hat ihre Entscheidungen indes zu begründen. In dieser Begründung hat diese die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die sie zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Das gilt auch für die Begründung von Ermessensentscheidungen, welche die Gesichtspunkte erkennen lassen soll, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist.

Genau das ist vorliegend jedoch – nach den hier bisher bekannten Tatsachen – nicht erfolgt.

Die Rüge der Klägerin könnte an dieser Stelle daher Erfolg haben.

In diesem Zusammenhang ist weiterhin zu berücksichtigen, dass die Kölner Sondernutzungssatzung in seinem § 8 Satz 2 zulässt, die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis mit Auflagen und Bedingungen zu versehen.

Dass die Behörde diese Möglichkeiten in Erwägung gezogen hat, ist hier nicht ersichtlich. Dies hätte gleichwohl ein milderes Mittel gegenüber der Begrenzung der Erlaubnis auf einen Monat anstelle der beantragten ganzen drei Jahre darstellen können:

Geht es etwa um die Befürchtung, das Mahnmal könnte im Rahmen der geplanten Erweiterung des Radweges an der Hohenzollernbrücke im Wege stehen, so hätte eine Erlaubnis mit der Auflage oder Bedingung erteilt werden können, das Mahnmal solange aufstellen zu können, bis die Bauarbeiten der Radwegerweiterung aufgenommen werden und es sodann rechtzeitig vor Baubeginn entfernen (oder verlegen) zu müssen.

Mit Blick darauf, dass der Zeitpunkt des Beginns der Erweiterung nicht feststeht, noch nicht einmal ein entsprechender Bauantrag eingereicht ist, hätte eine Alternative auch sein können, die Erlaubnis zur Aufstellung des Mahnmals an die Bedingung zu knüpfen, dieses dann unverzüglich entfernen zu müssen, sobald die Planungen der Radwegerweiterung derart fortgeschritten sind, dass der Zeitpunkt der Aufnahme der Bauarbeiten benannt werden kann oder zumindest bestimmbar wird.

Warum diese Möglichkeiten von der Kölner Behörde nicht in Betracht gezogen wurden, bleibt allerdings fraglich. Die Behörde führt nichts weiter dazu aus.

Schließlich sei erwähnt, dass nicht ersichtlich ist, andere Regelungen der Satzung oder weitere Vorschriften würden dem Antrag der Initiative entgegenstehen. Solche werden seitens der Behörde aber auch nicht geltend gemacht.

Unter Berücksichtigung aller oben genannten Punkte, lässt sich abschließend feststellen, dass weder die rechtliche noch die genauere Betrachtung des Verhaltens und der Aussagen der Kölner Stadtverwaltung einen Erkenntnisgewinn in der Frage bringt, was gegen eine Verlängerung der Sondernutzungserlaubnis spricht.

Stehen nach der rechtlichen Analyse keine Bedenken gegen die Sondernutzungserlaubnis, gilt der Blick zu weiten und auf die weiteren Geschehnisse rund um die Mahnmalsaufstellung zu werfen:

In der Zwischenzeit werden in den Medien nämlich andere Faktoren beleuchtet. Zahlreiche Artikel machen im Rahmen ihrer Berichterstellung rund um den Streit um die Entfernung des Genozid-Mahnmals immer wieder auf ein Initiativforum aufmerksam. Es geht um das „Initiativforum Türkischer Vereine und Verbände in Köln und Umgebung“. Dieses hat laut aktueller Berichte der FAZ, dem Kölner Stadt-Anzeiger und vielen weiteren das grundsätzliche Votum für ein Mahnmal in einem Brief an Innenstadt-Bezirksbürgermeister Andreas Hupke kritisiert. Darin wird ausgeführt, eine solche Gedenkstätte spalte die Gesellschaft und verursache neue Konflikte. Auf ihrer Homepage „turkintiativ.de“, hat das Forum eine eigene Rubrik für die „Armenische Frage“, unter der direkt als Erstes „Was ist das Pseudo-Genozid-Mahnmal in Köln?“ aufgeführt wird. Unter den Vereinen, die sich der turkinitiativ zusammengeschlossen haben, werden auch mehrere Vereine der Organisation Ditib und ATIB. e.V. genannt. Laut eines Spiegel-Artikels 2022 gilt Ditib „als verlängerter Arm der türkischen Regierung. Nach SPIEGEL-Recherchen sympathisieren einige Funktionäre auch offen mit den rechtsextremen »Grauen Wölfen«.“. ATIB hingegen wird sogar auf der Seite des Bundesamtes für Verfassungsschutz in Zusammenhang mit „Türkischer Rechtsextremismus in Deutschland“ aufgeführt. Schon im Rahmen der Debatte um die Aufstellung des Mahnmals im letzten Jahr, berichtete die Zeit, die Stadt Köln sei für die Entfernung des Mahnmals, da das Thema wegen der zahlreichen türkischen und türkischstämmigen Menschen in Köln brisant sei. Die Stadt Köln habe dabei mit Hinweis auf türkischstämmige Einwohner*innen, die den Genozid leugnen, darauf hingewiesen, dass der Frieden in der Stadt gefährdet werden könnte.

In diesem Zusammenhang weisen die Medienberichte auch heute darauf hin, dass hinter der Kritik eigentlich die fehlende Anerkennung der systematischen Vertreibung und Vernichtung: des Völkermords an den Armenier*innen während des Ersten Weltkriegs im Osmanischen Reich stehe. Während die türkische Regierung einen Völkermord bis heute leugnet, hat der Deutsche Bundestag den Völkermord an den Armenier*innen durch die damalige jungtürkische Regierung im Jahr 2016 im Rahmen der „Armenien Resolution“ offiziell anerkannt und dabei auch die deutsche Mitschuld an den Ereignissen eingestanden.

Nicht zufällig ist nämlich der seitens der Initiative „Völkermord erinnern“ ausgewählte Ort für die Aufstellung des Mahnmals: Es soll in Sichtweite zum Reiterstandbild Kaiser Wilhelms II. stehen. Der deutsche Kaiser hatte damals nicht nur die Gelegenheit gehabt, das Massaker am armenischen Volk zu stoppen – zumal er damals selbst zeitweilig dort war. Das Kaiserreich entsandte auch deutsche Militärattachés und (hochrangige) Offiziere der kaiserlichen Armee, die dem Genozid nicht nur zusahen, sondern sich zum Teil auch direkt und indirekt an dessen Organisation beteiligten. Das Kaiserreich trägt also eine Mitverantwortung an den Verbrechen.

Auch deswegen soll das Mahnmal im Schatten des Reiterdenkmals an den Völkermord an den Armeniern erinnern, das „nie wieder“ jeden Tag erkennbar sein.

Nürnberg, 6. Juni 2023

Deutsch-Armenische Juristenvereinigung e.V.

Postfach 44 02 03

90207 Nürnberg

[email protected]