Die jüngsten Entwicklungen in Berg-Karabach aufgrund der erneuten Aggression Aserbaidschans in der Region, die zahlreiches Leid und Tod hervorbrachten, veranlassten internationale Entscheidungsträger bisher in nur äußerst überschaubarem Maße dazu, eindeutige und sanktionierende Worte zu finden. Die Verhängung entsprechend angebrachter Sanktionen gegenüber Aserbaidschan scheint daher zum aktuellen Zeitpunkt auch in nicht greifbarer Nähe zu liegen. Dies lässt wenig Stringenz bei der ethisch-moralischen Beurteilung von Angriffen eines starken, militärisch hochgerüsteten Staates gegen einen schwächeren und geopolitisch uninteressanten Akteur erkennen.Jedoch ist das kollektive Schweigen, bei einem Fehlverhalten Aserbaidschans, insbesondere seitens der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union nicht gänzlich neu. Spätestens als im Jahr 2012 bekannt wurde, dass Aserbaidschan gezielt Abgeordnete des Europäischen Parlaments bestach, um die eigenen wirtschaftlichen und politischen Interessen in dieses Gremium zu tragen, hätten gravierende Konsequenzen gezogen werden müssen. Doch nicht nur auf der Ebene der Europäischen Union versuchte Aserbaidschan in großem Ausmaß seine Interessen zu platzieren. Auch Abgeordnete des Deutschen Bundestages wurden nach Baku eingeladen, damit diese vom wirtschaftlichen Fortschritt und einem loyalen Agieren überzeugt werden konnten, um in Zukunft vertrauensvolle Geschäftsbeziehungen mit dem autokratischen Staat eingehen zu können. Dies gipfelte in Deutschland durch das Bekanntwerden bestehender Verdachtsmomente im Jahr 2021 in der medial betitelten „Aserbaidschan-Affäre“.

Bereits zu dem damaligen Zeitpunkt kritisierte die Deutsch-Armenische Juristenvereinigung e.V. das Vorgehen dieser Politiker. Auch wenn sich mittlerweile zeigte, dass die Verdachtsmomente formal juristisch nicht unter einen der sogenannten Korruptionstatbestände subsummiert werden können, muss die Nähe eines eigentlich neutralen Volksvertreters zu einem Land mit einer solchen Vorgeschichte, wie im Europäischen Parlament, äußerst kritisch betrachtet und hinterfragt werden. Bereits 2021 forderten wir daher u.a. eine lückenlose Aufklärung der Sachverhalte durch die Einberufung eines U-Ausschusses im Deutschen Bundestag, die Implementierung schärferer Kontrollmechanismen zur Schaffung von mehr Transparenz bei Lobby-Tätigkeiten und stärkere Sanktionen bei nachgewiesenem Fehlverhalten seitens der Amtsträger. Während Letzteres in Teilen durch eine Einstufung der Abgeordnetenbestechung (§ 108e StGB) gemäß § 12 Abs. 1 StGB nunmehr als Verbrechen und nicht mehr nur als Vergehen geahndet wird, wurden die erstgenannten Forderungen kaum bis gar nicht umgesetzt.

Es steht außer Frage, dass die ausbleibende Benennung und Sanktionierung völkerrechtswidriger Handlungen nicht ausschließlich auf intrinsische Motivationsfaktoren zurückzuführen sein kann. Es ist davon auszugehen, dass Aserbaidschan seine Ressourcen sowohl in der Vergangenheit als auch gegenwärtig so gezielt und strategisch einsetzt, da mitteleuropäische und andere internationale Entscheidungsträger aus Politik und Wirtschaft trotz des wiederholten Angriffskrieges noch immer an Sympathien und insbesondere Geschäftsbeziehungen zu Aserbaidschan festhalten.

Aufgrund der wiederholten Aggression Aserbaidschans fordern wir insbesondere von der Politik bzw. den Entscheidungsträgern nicht nur die Einberufung eines U-Ausschusses zur lückenlosen Sachverhaltsaufklärung der Aserbaidschan-Affäre und die Implementierung einer Verpflichtung zur transparenten Offenlegung von erfolgten Treffen mit Lobby-Vertretern von Abgeordneten des Deutschen Bundestages. Vor allem sollten Wirtschaftssanktionen zur Hemmung des Gas-, und Öltransports in die EU durch Aserbaidschan durchgesetzt werden. Die hohen Einnahmen, die Aserbaidschan durch die Verkäufe von Gas- und Öl erhält, nutzt die Autokratie zur militärischen Aufrüstung und der damit eingehergehenden Bekämpfung bzw. ethnischen Säuberung der Armenier.  Zudem fordern wir, dass jede einzelne Person, die für die Finanzierung, Unterstützung oder Durchführung der illegalen Angriffe, die illegale Blockade der Bevölkerung in Arzach oder jegliche Verstöße der Menschenwürde und der territorialen Unversehrtheit Berg-Karabachs verantwortlich ist, straf- bzw. zivilrechtlich zur Verantwortung gezogen wird. Des Weiteren möchten wir inständig an die Vertreter der Wirtschaft, die Geschäftsbeziehungen mit Aserbaidschan unterhalten, appellieren, da sich diese ggf. nach dem Lieferkettenschutzgesetzes strafbar machen können, soweit diese die bestehenden Geschäftsbeziehungen nicht kritisch hinterfragen.

Nach wie vor fordern wir auch die Völkerrechtsverletzungen Aserbaidschans stringent zu benennen und adäquat zu sanktionieren.