Am 11. November 2024 wird die autokratische Republik Aserbaidschan Ausrichter der 29. Auflage der UN-Klimakonferenz (COP29) sein. Die jährlich stattfindende Vertragsstaatenkonferenz der UN-Klimarahmenkonvention fasst das Ziel, durch die Stabilisierung der Treibhausgasemissionen in der Atmosphäre eine anthropogene Störung des Klimasystems zu verhindern.

Ungeachtet der Frage, aus welchem Grund ausgerechnet das zweite Mal in Folge nicht nur einer Diktatur, sondern auch einem 90%igem Ölexporteur das Privileg des Gastgebers der UN-Klimakonferenz gewährt wird, steht vor allem die prekäre Unterdrückung fundamentaler Menschenrechte seitens des aserbaidschanischen Regimes im Fokus. Neben bereits zahlreichen Aufrufen internationaler NGOs, Mitgliedern des Europäischen Parlaments und Ministern aus aller Welt sehen wir uns als Deutsch-Armenische Juristenvereinigung (DEARJV) in der Pflicht, mit Nachdruck zu bekräftigen, dass es dem autoritären Regime in Baku bei der Ausrichtung der UN-Klimakonferenz weniger um die Bekämpfung des Klimawandels als ausschließlich um das „greenwashing“ der eigenen Reputation geht. Der autoritäre Staat, der auf Platz 154 von 180 der korruptesten Länder der Welt steht, und zudem seine Öl- und Gasproduktion noch angezogen hat, versucht gezielt von seinem nach innen als auch nach außen repressiv agierenden Regimes abzulenken und die schweren Menschenrechtsverletzungen zu verwischen. Die massive Einschüchterung der Zivilgesellschaft im Zuge der COP29, die Unterdrückung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit, die massenhafte Inhaftierung politischer Gefangener, die Bestechung hochrangiger Regierungsbeamte (auch des Deutschen Bundestages) und Nicht-Regierungsakteure gehört inzwischen zum daily-business der menschenrechtsverachtenden Republik. Ganz zu schweigen von der Verübung der schwersten völkerstrafrechtlichen Verbrechen an der in Berg-Karabach einst lebenden armenischen Bevölkerung in den letzten 4 Jahren.

Die Klimakonferenz wird 14 Monate nach der letzten Eskalation Aserbaidschans im bereits seit Jahrzehnten schwelenden Konflikt um Berg-Karabach eröffnet. Durch die jüngste Offensive im September 2023 wurde die von den Armeniern besiedelte Region ethnisch gesäubert und führte zu einer Vertreibung von bis zu 120.000 Menschen. Der vorsätzlich geplanten Vertreibung ging eine monatelange, völkerrechtswidrige Blockade voraus, in der Aserbaidschan die Versorgungsstraße, den Latschin-Korridor, nach Armenien abriegeln und die Menschen systematisch verhungern ließ. Die vollständige Einnahme der Region ist das Resultat des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges Aserbaidschans seit September 2020. Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit an der armenischen Bevölkerung, Folterung von Kriegsgefangenen sowie die Zerstörung armenisch-christlicher Kulturgüter gingen damit einher. Völkerrechtsexperten prüfen derzeit ebenfalls die Einschlägigkeit eines Genozids. Bis heute hält Aserbaidschan mindestens 23 armenische Kriegsgefangene und hunderte politische Gefangene unrechtmäßig in seinen Gefängnissen, während 120.000 vertriebene Berg-Karabach Armenier heimatlos und über Armenien und andere Länder verstreut sind.

Trotz der derzeitigen „Friedensgespräche“ zwischen der Republik Armenien und der Republik Aserbaidschan rückt der aserbaidschanische Präsident Aliyev nicht von seinen militärischen Ambitionen ab und liebäugelt mit der Einnahme des südlichen Teils der Republik Armenien; es gilt eine direkte Verbindung an die aserbaidschanische Enklave Nachitschewan zu gewährleisten: den sogenannten Sangesur-Korridor. Bereits während des Krieges im Jahr 2020 hat Aserbaidschan völkerrechtswidrig und gegen die territoriale Souveränität Armeniens verstoßend Teile der Provinz Syunik besetzt. Auch hier finden derzeit Menschenrechtsverstöße statt. Armenien selbst bezeichnet der Autokrat öffentlich als “Western Azerbaijan”. Ob in einem erzwungenen Friedensvertrag oder militärisch: „We are ready, we can give any response, and we should always be ready for it”, so der aserbaidschanische Präsident Aliyev in einer seiner Parlamentsreden.

Diese hier aufgeführten Informationen sind weder neu noch liegen sie im Verborgenen. Ungeachtet des Verfahrens vor dem Internationalen Gerichtshof, hat vergangene Woche das Europäische Parlament abermals die Republik Aserbaidschan für die Menschenrechtsverletzungen und die Aggression gegen die Republik Armenien verurteilt. Es rief zu Sanktionen gegen hochrangige aserbaidschanische Beamte auf und forderte u.a. die Freigabe armenischer Kriegsgefangenen, die sichere Rückkehr der Berg-Karabach Armenier in ihre Heimat, das Einfrieren militärischer Exporte und den Schutz armenischer Kulturgüter.

Für die gänzliche Verhinderung der Ausrichtung der Klimakonferenz in dem autoritären Staat Aserbaidschan ist es bereits zu spät. Doch eine stille und unkritische Teilnahme seitens demokratisch geführter Staaten, ihrer Staatsoberhäupter und ihren Institutionen ist keinesfalls hinnehmbar. Diktatoren bedienen sich immer derselben Mittel: Sie begehen schrittweise Völkerrechtsverletzungen und warten auf das internationale Echo: Je weniger groß der Aufruhr ist, desto weiter gehen sie in ihren hegemonialen Bestrebungen der Einverleibung fremder Territorien.

Die DEARJV fordert aus diesem Grund, dass das Zusammenkommen zahlreicher Staatsoberhäupter und zivilgesellschaftlicher Gruppen genutzt wird, massiven Druck auf die Autokratie Aserbaidschan auszuüben, um den weiteren Vorstoß Aserbaidschans gegen die Republik Armenien zu stoppen. Des Weiteren muss die sichere Rückkehr der Berg-Karabach Armenier unter internationalem Schutz gewährleistet, die mutwillige Zerstörung armenischen Kulturgutes unterlassen und die willkürlich inhaftierten Kriegsgefangenen freigelassen werden, um somit weiteren Völkerrechtsverbrechen bzw. deren Verschleierung entschieden entgegenzutreten. Zum anderen fordern wir die freie Presse, Stiftungen und NGOs dieser Demokratie dazu auf, die Reputation des Ausrichters der Klimakonferenz genau als das darzustellen, was es ist: Eine autokratische Diktatur, die alle, die ihr nicht wohlgesonnen sind zum Schweigen bringt und die die demokratischen Grundwerte und Menschenrechte mit Füßen tritt. Darüber hinaus missachtet diese Autokratie internationale Institutionen und Gerichte durch die Nichtbefolgung der Resolutionen und Urteile und ist verantwortlich für die Verübung der schwersten Verbrechen der Menschheit. Aserbaidschan ist weit entfernt von einem „Cop of peace“, sondern inszeniert vielmehr einen „Coup of greenwashing“.

Die fatalen Fehler der jüngsten Geschichte am Beispiel Russlands Invasion dürfen nicht innerhalb kürzester Zeit wiederholt werden. Wenn die Verantwortlichen nicht JETZT agieren, sondern zulassen, dass sich Aserbaidschan nach Ausrichtung der UN-Klimakonferenz international noch gestärkter fühlt, wird vermutlich der nächste Angriff folgen. Der Angriff auf die territoriale Unversehrtheit Armeniens wird die internationale Staatengemeinschaft zwar nur kurzfristig in einen Schock versetzen, doch wenn 3 Millionen Armenier vor den Toren Europas stehen, ist der Aufschrei groß. Es gibt nur einen Unterschied zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine: Im Falle eines aserbaidschanischen Angriffs kann niemand mehr sagen, er habe es nicht gewusst.