-Arpi Kouyoumdjian-

Begeht man in Deutschland Straftaten unter starkem Alkoholeinfluss, kann entweder eine Schuldunfähigkeit nach § 20 StGB oder eine verminderte Schuldfähigkeit mit fakultativer Strafmilderung gemäß §§ 21, 49 I StGB eintreten. Durch den Alkoholrausch wird die Hirntätigkeit toxisch beeinträchtigt und erfüllt dadurch die Voraussetzung der seelischen Störung. Als Orientierung gilt, dass eine Schuldunfähigkeit ab einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von 3 bzw. 3,3 ‰ angenommen werden kann und eine verminderte Schuldunfähigkeit ab einer BAK von 2‰. Diese Promillegrenzen gelten allerdings nicht konsequent: Das Gericht kann im Einzelfall zu einer abweichenden Bewertung kommen, z.B. wenn beim Täter eine Alkoholgewöhnung festgestellt wird.

In Armenien dagegen begründet die Tatbegehung unter starkem Alkoholeinfluss eine Schuldfähigkeit nach Artikel 27 Nr. 1 Strafgesetzbuch (ՀՀ Քրեական Օրենսգիրք) und wirkt strafschärfend nach Artikel 34 Nr. 6 Gesetzbuch über administrative Rechtsverletzungen (Վարչական իրավախախտումների վերաբերյալ Հայաստանի Հանրապետության օրենսգիրք) in Verbindung mit Artikel 27 Nr. 3 Strafgesetzbuch. Die jeweilige Verwaltungsinstitution kann nach ihrem Ermessen von einer Strafschärfung absehen. Wird der Straftäter gegen seinen Willen betrunken, wirkt dieser Umstand strafmildernd, Artikel 27 Nr. 2 Strafgesetzbuch.

Dieser wesentliche Unterschied in der Bewertung des Alkoholeinflusses ist auch in anderen post-sowjetischen Staaten existent. In der marxistischen Theorie ist eine kriminalitätsfreie Gesellschaft mit der klassenlosen Gesellschaft eng verbunden. Auf dieser Grundlage wollte man in der Sowjetunion Verbrechen vollständig bekämpfen. Statistiken zeigten, dass über 80 % der Gewaltstraftaten unter Alkoholeinfluss verübt wurden. Möglicherweise wirkt dieser Umstand deshalb bis heute strafschärfend.