KEY POINTS

Der Konflikt geht zurück auf die rechtswidrige Entscheidung Joseph Stalins vom 5. Juli 1921, das mehrheitlich von Armeniern bewohnte Berg-Karabach (NKAO) als autonome Oblast an die aserbaidschanische SSR zu übertragen. 1926 betrug der Bevölkerungsanteil der Armenier 89,1 Prozent.

Am 2. September 1991, im Rahmen des Zerfallsprozesses der UdSSR, aktivierten die Armenier von Berg-Karabach Art. 3 des UdSSR-Austrittsgesetzes, indem die autonomen Regionen Berg-Karabach und
das Shahumyan-Bezirk sich (vorläufig) zur Republik Berg-Karabach (heute: Republik Artsakh) proklamierten. Entgegenstehende Rechtsakte der Aserbaidschanischen SSR vertießen gegen das Unionsrecht der UdSSR und waren somit unwirksam.

Am 10. Dezember 1991 wurde ein Selbstbestimmungsreferendum über den Status der Republik Berg- Karabach als unabhängiger Staat durchgeführt, wobei 82,2 Prozent der Bewohner (132.328) teilnahmen
und 99,89 % (108.615) mit „Ja“ stimmten. Das Referendum der Aserbaidschanischen SSR fand erst 19 Tage später statt (29. Dezember 1991). Berg-Karabach ist kein territorialer Bestandteil Aserbaidschans.

Heute wird das Selbstbestimmungsrecht der Völker als zwingende völkergewohnheitsrechtliche Norm (ius cogens) anerkannt und hat somit universelle Wirkung, vgl. Art. 1 Nr. 2, Art. 55 UN-Charta; Art. 1 Abs. 1 IPBPR; Art. 1 IPWSKR; BVerfG, 21.10.1987 – 2 BvR 373/83.

Das Selbstbestimmungsrecht Berg-Karabachs ist auf staatliche Unabhängigkeit gerichtet. Kein Rechtsstatus unterhalb der Unabhängigkeit kann die Sicherheit der armenischen Bevölkerung gewährleisten.

Die heutige Republik Artsakh erfüllt alle Merkmale des juristisch-völkerrechtlichen Staatsbegriffs, d.h. sowohl nach der von Georg Jellinek zu Beginn des 20. Jahrhunderts begründeten „Drei-Elementen- Lehre“, als auch nach Art. 1 der Montevideo-Konvention vom 26. Dezember 1933: ein Staatsvolk, ein Staatsgebiet, eine Staatsgewalt und die Fähigkeit mit anderen Staaten in Beziehung zu treten.

Die Armenier von Artsakh gestalten seit ihrem Selbstbestimmungsakt im Jahr 1991 in Freiheit ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung unter Wahrung demokratischer Standards in einer
Region mit überwiegend autoritären Staaten.

Den Armeniern aus Artsakh stünde auch ein Sezessionsanspruch als Notwehrrecht für bedrohte Völker („remedial secession“) zu, da Armenophobie bedingt durch die rassistische Ideologie des Panturkismus
zu einer Staatsdoktrin Aserbaidschans geworden ist (siehe Pogrome von Sumgait, Kirovabad und Baku).

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte stellte mit Urteil vom 26. Mai 2020 (Nr. 17247/13) fest, dass die Begnadigung des Axtmörders Ramil Safarov (dessen Tat u.a. als Racheakt in Bezug auf den Karabach-Konflikt begangen wurde) und die Verherrlichung seiner Tat durch den Hass der
aserbaidschanischen Beamten gegen Armenier bedingt war.

Die vier Resolutionen des UN-Sicherheitsrats vom Jahr 1993 (822, 853, 874, 884) betreffen ausschließlich sechs Gebiete, die nach Abschluss des Unabhängigkeitsprozesses der Republik Artsakh während des Krieges zwischen 1992 und 1994 unter die Kontrolle der armenischen Seite gelangt sind (Kelbajar, Agdam, Fizuli, Jabrayil, Qubadli, Zangilan). Zu einem Truppenrückzug aus den Territorien der Republik Artsakh (Stand 1991) wird in den vier Resolutionen gerade nicht aufgefordert.

Die Republik Armenien wird in den Resolutionen nicht als Konfliktpartei, sondern als Vermittlerin erwähnt. Armenien ist somit kein Aggressor, wurde jedoch im Juli 2020 durch den Militärangriff Aserbaidschans an der armenisch-aserbaidschanischen Grenze einer Aggression ausgesetzt.

Die vier Resolutionen sind mittlerweile überholt: Aserbaidschan hat selbst gegen sie verstoßen (Artsakh-Blockade, Initiierung der Kriege von 2016 und 2020, Boykott von friedlichen Verhandlungen) und viele Kriegsverbrechen begangen. Der Truppenabzug ist keine Vorbedingung für Verhandlungen
mehr, siehe Stellungnahme des UN-Sicherheitsrats vom 29. September 2020 („without preconditions“).

Aserbaidschan steht im Berg-Karabach-Konflikt kein Selbstverteidigungsrecht zu. Es besteht ein Gewaltverbot aufgrund des Waffenstillstandsübereinkommens von 1994 und des Verhandlungsformats
der sog. Minsker Gruppe, vgl auch „Friendly Relations Declaration“ der UN-Generalversammlung vom 24.10.1970.