Bereits in der Vergangenheit hat die Deutsch-Armenische Juristenvereinigung e.V. in verschiedenen Beiträgen und Veröffentlichungen auf fragwürdige Lobbystrategien Aserbaidschans hingewiesen, die in Teilen eng an der Grenze zur strafwürdigen Korruption zu lokalisieren waren.

Diese Strategien beschränkten sich dabei nicht nur auf die Interessensvertretung in der Politik und Wirtschaft, sondern erstreckten sich auch in andere gesellschaftliche Bereiche, wie die mediale Berichterstattung oder den Bildungssektor. Nach dem bereits 2012 Aserbaidschans Umgang mit Abgeordneten des Europarates medial als „The Azerbaijani Laundromat“ bekannt und unter dem deutschsprachigen Begriff „Kaviar-Diplomatie“ zusammengefasst wurde, war es medial zunächst ruhiger um die Einflussnahme der südkaukasischen Republik auf die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sowie deren Organe geworden.

Durch die Organisation von zahlreichen Großveranstaltungen mit internationaler Aufmerksamkeit versuchte Aserbaidschan sich nach diesem Eklat als aufstrebendes Land darzustellen, dass nun endlich die Krisen der post-sowjetischen Ära überwunden hat und bereit ist, demokratisch und unter fairen marktwirtschaftlichen Bedingungen in der internationalen Staatengemeinschaft zu partizipieren.

Erst als im Jahr 2021 die sogenannte „Masken-Affäre“ einiger Abgeordneter des Deutschen Bundestages publik wurde, wurden auch Vorwürfe über illegale Einflussnahmen aus Aserbaidschan laut, die wiederum als „Aserbaidschan-Affäre“ medial bekannt wurden und zeigten, dass Aserbaidschans Interessen längst hinter verschlossenen Türen über Mittelsmänner in die politischen und wirtschaftlichen Zentren der Europäischen Union getragen wurden.

Nach all diesen Vorwürfen, die nur in Teilen unter den im deutschen Strafgesetzbuch verankerten Paragrafen zum Verbot von Bestechung/Bestechlichkeit und Vorteilsnahme/-gewährung zu subsummieren waren, wirkte es um so irritierender, als die EU-Kommissionspräsidentin, Ursula von der Leyen, Aserbaidschan im Jahr 2022 öffentlich als vertrauensvollen Partner betitelte, um den jüngst verhandelten Vertrag über Gas-Lieferungen zu besiegeln. Auch der jüngste Besuch der Staatssekretärin und Sonderbeauftragten für internationale Klimapolitik im Auswärtigen Amt, Jennifer Morgan, in Baku anlässlich der Vorbereitung der dortigen Austragung der 29. Sitzung der United Nations Climate Change Conference (COP29) in diesem Jahr, erscheint unter Berücksichtigung der vorherigen Begebenheiten eher als Versuch eines „Greenwashings“ seitens Aserbaidschans – neben dem üblichen „Sportwashing“.

Obwohl die aggressive und zum Teil mit unlauteren Mitteln versuchte Vertretung der eigenen Interessen Aserbaidschans von zahlreichen internationalen NGOs – auch aufgrund der autokratischen und unfreien Zustände im Land selbst – scharf kritisiert wurden, blieben sanktionierende Maßnahmen nahezu gänzlich aus. Doch nun scheint genau dieses Handeln auch allmählich Folgen zu haben: Ende Januar 2024 wurde die Delegation aus Aserbaidschan für mindestens ein Jahr aus der Parlamentarischen Delegation des Europarats ausgeschlossen, da Berichterstattern und Wahlbeobachtern den Zugang zum Land verweigert wurde. Eingebracht wurde dieser Antrag vom Leiter der deutschen Delegation, Frank Schwabe, welcher mit deutlicher Mehrheit durch das Gremium angenommen wurde. Kurz darauf erhob die Generalstaatsanwaltschaft in München Anklage wegen des Verdachts auf Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern gegen die ehemaligen Bundestagsabgeordneten Eduard Lintner und Axel Fischer. Diese sind dabei keine Unbekannten, da sie sich bereits mehrfach den Vorwürfen ausgesetzt sahen, Gelder aus Aserbaidschan für unlautere Lobbytätigkeiten erhalten zu haben.

Nun scheinen sich die Verdachtsmomente erhärtet zu haben, was die Generalstaatsanwaltschaft dazu veranlasste, Klage zu erheben. So verlangte Aserbaidschan laut Medienberichten als Gegenleistung für gezahlte Gelder im Europarat vor allem positive Redebeiträge, die frühzeitige Übermittlung von vertraulichen Dokumenten sowie ein zweckdienliches Abstimmungsverhalten zu seinen Gunsten.

In Deutschland sind Abgeordnete des Bundestages gem. Art. 46 Abs. 2 GG sowie die Mitglieder der Bundesversammlung gem. § 7 BPräsWG durch die parlamentarische Immunität vor Strafverfolgung geschützt (nicht aber vor zivilrechtlichen Ansprüchen). Das schützenswerte Rechtsgut ist dabei jedoch die Funktionsfähigkeit des Parlaments, welche durch fortlaufende Ermittlungen gegen eines seiner Mitglieder negativ beeinflusst werden könnte. Deshalb müssen gerade bei den einschlägigen Paragrafen des StGB, welche unter dem Begriff der Korruption zusammengefasst werden können, erhebliche Verdachtsmomente vorliegen, damit es zu einer Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft kommen kann, weshalb solche Ermittlungen oft ein nicht unerhebliches Ausmaß an Zeit benötigen.

Um aber nicht die Person selbst vor Strafe zu schützen, verfügt das Parlament über die Möglichkeit, die Immunität für Einzelperson bei hinreichenden Verdachtsmomenten aufzuheben, wofür ein extra dafür vorgesehener prozessualer Ablauf stattfinden muss. Der Bundestag hat die Durchführung von Ermittlungsverfahren grundsätzlich durch einen Beschluss (siehe Anlage 6 Geschäftsordnung Deutscher Bundestag) genehmigt, wobei dies insbesondere im Vorfeld der Aufhebung der politischen Immunität durch den Immunitätsausschuss geprüft werden muss. Aufgrund der durch den Immunitätsausschuss ausgesprochenen Empfehlung wird im Anschluss durch den Bundestag eine Entscheidung getroffen. Auf europäischer Ebene ist die politische Immunität durch das Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften reglementiert, welches vorsieht, dass das Europäische Parlament über die Aufhebung entscheidet, sobald eine zuständige Behörde eines Mitgliedsstaates einen entsprechenden Antrag dafür einreicht.

So sind Klageerhebungen gegen Mitglieder des Parlaments ressourcenintensiver und oft langwieriger gegenüber dem üblichen Umfang strafrechtlicher Ermittlungen. Dennoch sind diese – wie sich zeigt – möglich und wichtig.

Diese zwei Schritte stellen ein bisheriges Novum dar, da sie zeigen, dass das Handeln Aserbaidschans in Europa kritisch begutachtet wird und auch sanktionierende Maßnahmen gegen die Beteiligten eingeleitet werden, um diesem entgegenzutreten. Zu vermuten ist jedoch, dass die nun zur Anklage gebrachten Korruptionsverdächtigungen nur exemplarische Ausprägungen eines komplexen Netzwerkes sind, welches über Jahren gewachsen und mit aserbaidschanischen Geldern gespeist wurde.

Es sollte daher das erklärte Ziel aller Mitgliedsstaaten der Europäischen Union und deren Organe sein, diese Netzwerke zu identifizieren, zu kontrollieren und eine Null-Toleranz-Strategie bei jedwedem Fehlverhalten zu etablieren, um eine weitere Unterwanderung und dem damit einhergehenden Vertrauensverlust in ebendiese Institutionen zu verhindern.

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